Was geschah 1945  auf dem Bahnhof in Nammering?

Ein KZ-Transport  aus Buchenwald mit anfangs 5.009 Menschen war hier 5 Tage lang auf dem Bahnhof in Nammering in 54 Waggons abgestellt. Hier wurden 794 Häftlinge ermordet.Gleis der Erinnerung mit 54 WaggonsEs war das schlimmste Nazi-Verbrechen in Niederbayern 

Aktuelles:

Am 7. Mai 2023 fand die Gedenkfeier nach 78 Jahren diesmal in Fürstenstein statt. -Warum?

Von der Totenwiese in Nammering wurden 91 Särge nach Fürstenstein gefahren und zunächst in Einzelgräbern beigesetzt. (Kleine Holzkreuze). 1958 wurden sie exhumiert und 39 Tote blieben unter einem großen Grabstein hier zurück.

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Seit 1995 finden in regelmäßigen Abständen Gedenkfeiern zu Ehren der 794 im April 1945 am ehemaligen Bahnhofsgelände in Nammering ermordeten KZ-Häftlinge des Todeszuges vom KZ Buchenwald zum KZ Dachau statt.

In diesem Jahr fand diese Gedenkfeier zum ersten Mal am KZ-Grabmal im Friedhof Fürstenstein statt. Hier ruhen bis heute 39 der 794 KZ-Häftlinge, die beim fünftägigen Aufenthalt des Todeszuges am Bahnhof Nammering von den Nazis brutal ermordet wurden und in Holzsärgen hierher gebracht und im Mai 1945 in einem Massengrab beigesetzt worden sind. 

Einlader dieser beeindruckend gestalteten Gedenkfeier war die Gemeinde Fürstenstein zusammen mit dem Bezirk Niederbayern, dem Landkreis Passau, dem DGB Niederbayern und der Arbeitsgemeinschaft (AG) KZ-Transport 1945 mit Sprecher und Initiator der Gedenkfeier Nikolaus Saller aus Fürstenstein.

Berichte Josef Enzesberger  enj  

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1. Teil der Gedenkfeier im Friedhof Fürstenstein

Zur abendlichen Feier am KZ-Grabmal im Friedhof Fürstenstein, die mit einer durch Veronika Götz (Violine) und Monika Rauch (Querflöte) einfühlsam vorgetragenen Melodie begonnen worden ist, begrüßte Fürstensteins Bürgermeister Stephan Gawlik die zahlreichen Besucher und Ehrengäste (siehe Bild).                              enj

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Video: Musikstück und Rede Bürgermeister Gawlik (bitte den Ton einschalten)

Landrat Raimund Kneidinger

Landrat Raimund Kneidinger sprach Gedanken zu dieser Gedenkfeier, die ihn eigentlich sprachlos und still werden lasse, ob dieser Gräueltaten und der furchtbaren Zahl an Toten – unschuldige und in den KZs geschundene Männer. „Doch unser stilles Gedenken ist gleichzeitig ein lauter Ruf hinaus: Ihr seid nicht vergessen! Die Erinnerung an Euch ist Mahnung an uns, so etwas nie wieder zuzulassen. Diese Mahnung hat kein Verfallsdatum. Sie gilt heute und in der Zukunft. Wenn wir aufhören uns zu erinnern, lassen wir zu, aus der Vergangenheit nichts zu lernen. Das dürfen wir den 794 Ermordeten nicht antun!“       enj

Video: Rede Landrat Raimund Kneidinger   (bitte den Ton einschalten)

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Nach einem weiteren Musikstück hörten die Teilnehmer das Grußwort vom Bezirkstagsvizepräsidenten Dr. Thomas Pröckl:

„Es fehlen einem die Worte, man kann es nicht begreifen – so unfassbar unmenschlich und grausam waren die Taten der Nationalsozialisten! Und vor allem auch so sinnlos in diesen letzten Tagen des Krieges. Der Tod dieser vielen Menschen, die in diesem „Todeszug aus Buchenwald“ saßen, hat die Region bis heute entsetzt. Mann musste dem Grauen direkt ins Auge blicken. Und aus dieser Verantwortung heraus wurden Mahnmale errichtet, die bis heute Bestand haben. Tot ist nur, wer vergessen wird,“ so. Dr. Thomas Pröckl. Dieses Erinnern sei unsere kollektive Pflicht – auch nach 78 Jahren. Wir dürften nicht müde werden, der nachkommenden Generation die Erinnerungen an die Geschichte mit auf den Weg zu geben.

Menschen wie Ben Lesser seien dabei nicht zu ersetzen. „Heute gedenken wir im Stillen. Doch lassen sie uns alle gemeinsam die Stimmen erheben, wenn es im Alltag, bei politischen oder privaten Diskussionen nötig ist. Jeder Mensch hat seine Würde, jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Den Opfern damals wurde dieses Recht abgesprochen. Wir können es leider nicht mehr rückgängig machen. Aber wir können unseren Beitrag dazu leisten, dass ihr Sterben nicht vergessen wird. Jeder von uns trägt in seinen Worten und Taten eine Mitverantwortung dafür, dass sich diese Geschichte nicht wiederholt,“ mahnte der Bezirkstagsvizepräsident.      enj

Video: Rede Thomas Pröckl, Bezirkstagsvizepräsident von Niederbayern  (bitte den Ton einschalten)

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Zusammen mit Landrat Raimund Kneidinger und Bezirkstagsvize-präsident Dr. Thomas Pröckl legte Bürgermeister Stephan Gawlik anschließend zum Gedenken an die ermordeten Häftlinge des Todeszuges am KZ-Grabmal ein Blumengebinde nieder. Dabei hörten die Teilnehmer ein Musikstück des kürzlich verstorbenen Musikers Anton Mayer aus Tittling, dem durch Nikolaus Saller für die so wunderbare musikalische Umrahmung zahlreicher Gedenkfeiern noch einmal gedankt worden war.                                enj

Video: Blumen niedergelgt und Gedenken an Anton Mayer  (bitte den Ton einschalten)

Ende des 1. Teils mit den Reden der Gäste




2. Teil: religiöse Andacht und Gebete mit Ben Lesser, Rabbiner Mendel Muraiti, Dekan Johannes Graf und Pfarrer Thomas Plesch

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Die Andacht mit Totengedenken durch die Religionsgemeinschaften wurde mit Trauermusik eingeleitet. In der Stille der Friedhofs war die Stimme von Ben Lesser, dem Überlebenden des Todeszuges, der das jüdische Totengebet, das Kaddisch, gesprochen hat, deutlich zu hören. Nikolaus Saller sprach das Gebet in deutscher Sprache.     enj

Video: Ben Lesser betet das Kaddisch (bitte den Ton einschalten)

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Rabbiner Mendel Muraiti von der  Israelitischen Kultusgemeinde Straubing sagte wieder zu. "Er komme nicht nur gerne, sondern er sieht es als seine Pflicht an, wieder bei uns zu singen."

Video:  Rabbiner Mendel Muraiti   (bitte den Ton einschalten)

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Dekan Johannes Graf begann mit einer Stelle aus der Bibel: „Vergiss nicht, was deine Augen gesehen haben“. Diese Worte sprach Mose nach dem erfolgreichen Auszug aus der Sklaverei zum Volk Israel. Sie sollen nie vergessen, dass Gott ein Gott ist, der hinsieht; der diejenigen ansieht, die von den Mächtigen rücksichtslos unterdrückt werden; der denjenigen Ansehen verschafft, die ihrer Würde beraubt werden; der diejenigen kennt und erinnert, die zu Opfern gemacht werden. All denen ist er Gott, ein Gott, der für ihre Freiheit und Gerechtigkeit eintritt und dem Blick von Unrecht und Grauen standhält. Wir gedenken der 794 Ermordeten des Todeszuges, die durch unvorstellbare Grausamkeit getötet wurden. Wir tun dies hier an diesem Ort, an dem 39 dieser Menschen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Es ist wichtig, nicht zu vergessen und ich danke deshalb besonders Nikolaus Saller und allen, die mit ihm dieses wichtige Gedenken tatkräftig unterstützen,“ so der Pfarrer.      enj

Video: Dekan Johannes Graf spricht und betet (bitte den Ton einschalten)

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Für die evangelische Kirchengemeinde sprach Pfarrer Thomas Plesch von Friedensstiftern, wie in der Bergpredigt zu hören und die wir heute in der Welt dringend brauchen würden. Ein Friedensstifter und einer der genau hinschaue, so Pfarrer Thomas Plesch, sei für ihn Nikolaus Saller, der in zahlreichen Gedenkfeiern auf diese schrecklichen Ereignisse des Todeszuges immer wieder hingewiesen und mit einigen Mitstreitern diese für die Nachwelt aufgearbeitet und dokumentiert habe und jetzt dieses Wissen in einer beeindruckenden Weise den Schülern an weiterführenden Schulen weitergeben würde. Gemeinsam mit den Teilnehmern sprach Pfarrer Thomas Plesch den letzten Teil des „Vater unser“ und lud die Besucher ein, nach einem jüdischen Brauch mitgebrachte Steine am Grabmal niederzulegen.   enj

Video: Pfarrer Thomas Plesch spricht und betet (bitte den Ton einschalten)

Ende des 2. Teils mit den Gebeten

 

Abschließend folgte noch die Titelmelodie des Films Schindlers Liste. Dabei legten viele auch ihren mitgebrachten Stein am Grab nieder und alle waren dann eingeladen in den Saal vom Kerber zu gehen.

 

2. Teil im Saal - Begegnung mit dem Überlebenden Ben Lesser aus USA

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Nach der beeindruckenden Gedenkfeier am KZ-Grabmal im Friedhof Fürstenstein, trafen sich viele Teilnehmer im Saal des Gasthofes Kerber, um Ben Lesser zu begegnen. Er ist ein Überlebender des Todeszuges und lebt heute noch in den USA, in Las Vegas. Per Videoschaltung nahm er an der Versammlung teil und wurde mit viel Applaus begrüßt.       enj

A)  Gratulation zum Bundesverdienstkreuz

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Sehr geehrter Herr Lesser,

ich gratuliere Ihnen herzlich zu dieser hohen Auszeichnung! Am 7. Mai werden Sie an der Gedenkveranstaltung in Fürstenstein mitwirken und zu den Teilnehmern sprechen.

Mit freundlichen Grüßen

Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern

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Ein weiteres Grußwort sprach im Namen des Antisemitismusbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung Dr. Ludwig Spänle, sein Beauftragter Ulrich Fritz. Er gratulierte Ben Lesser zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, das er für seine jahrelange Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit erhalten habe. „Sie, lieber Ben Lesser, haben seit 1995 öffentlich über Ihr Schicksal, Ihr Überleben gesprochen. Mit der Zachor Foundation setzen Sie sich dafür ein, dass Menschen weltweit die Geschehnisse des Holocaust nicht vergessen. Die Anstecknadel „Zachor“, das hebräische Wort für „Erinnern“, ist dafür ein Symbol,“ würdigte Ulrich Fritz den Überlebenden Ben Lesser.   enj

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Auch Fürstensteins Bürgermeister Stephan Gawlik und Andreas Schmal vom DGB Niederbayern nutzten die Gelegenheit, Ben Lesser zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes zu gratulieren. Für beide sei es ein großer Moment und eine große Ehre, ihm zu dieser Auszeichnung gratulieren zu dürfen und wünschten ihm für die Zukunft viel Kraft und Gesundheit. Für die vielen Glückwünsche und dem großen Applaus bedankte sich Ben Lesser mit herzlichen Worten.         enj

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Bürgermeister Stephan Gawlik                                     Andreas Schmal vom DGB und Bettina Blöhm

B)  Die Rede von Ben Lesser

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Die in englischer Sprache vorgetragene Rede von Ben Lesser unter dem Titel „Was er uns sagen will“, wurde abschnittsweise von Ronja Saller in deutscher Sprache übersetzt und ließ die Gäste im Saal still und nachdenklich werden.       enj

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a)  Hier hören Sie die Rede von Ben Lesser original in englischer Sprache.

b)  Hier hören Sie die Rede von Ben Lesser mit deutscher Übersetzung.

C)  Bitte um Vergebung

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Emotional wurde es auch im Anschluss an die Rede von Ben Lesser. Dr. Ulrich Schmidt, zur Zeit des tragischen Ereignisses am Nammeringer Bahnhof im April 1945 noch nicht geboren, fand doch deutliche Worte der Verachtung für das Nichtstun seines Vaters, einem Offizier der Wehrmacht, der in Nammering zum Augen- und Ohrenzeugen des Schießens und Ermordens geworden ist. Merbach einfordern hätte können. „Warum hat mein Vater sich nicht eingemischt zu Gunsten dieser angeblich kriminellen Häftlinge? Hatte er nicht den Mut? Oder wollte er etwa gar nicht? Wir werde es nie mehr erfahren.“

Dr. Ulrich Schmidt bat Ben Lesser und die damaligen Mitgefangenen im Namen seines Vaters um Vergebung für das, was eben nicht getan worden ist.

Ben Leser antwortete tief bewegt:  „Herr Schmidt, ich kann Ihnen vergeben, ich kann Sie nicht verantwortlich machen für das Nichtstun Ihres Vaters in dieser Sache. Sie sind eine wundervolle Person. Dankeschön“        enj

Hier hören Sie das Gespräch zwischen Ben Lesser und Dr. Ulrich Schmidt mit deutscher Übersetzung.

D)  Ben Lesser erzählt vom Todeszug

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Nach 7 Wochen Todesmarsch vom Steinbruch Dörnhau  kam Ben Lesser nach 500 km in Buchenwald an.

 

Aber schon am nächsten Tag musste er in unseren Todeszug einsteigen.

 

Da beginnt seine Erzählung

Diese Präsentation wurde von Nikolaus Saller zusammengestellt. Sie enthält aber nur Texte von Ben Lesser und Videos von ihm aus dem Internet seiner Homepage https://www.zachorfoundation.org/

E)  Vorstellung des neuen Buches in Deutsch "Ben Lesser - Ein Leben, das zählt"

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Bettina Blöhm und Andreas Schmal vom DGB Niederbayern übernahmen dann die Vorstellung des neuen von Nikolaus Saller und Andreas Schmal herausgegeben Buches in Deutsch „Ben Lesser – Ein Leben, das zählt“, das zusätzlich mit vielen Informationen zum Todeszug und den damaligen Ereignissen am Nammeringer Bahnhof ergänzt und aufbereitet worden ist.      enj

Dieses Buch hat Nikolaus Saller aus dem Englischen übersetzt und zusammen mit Andreas Schmal vom DGB Niederbayern im sehr bekannten Wallstein Verlag herausgegeben. Um die Druckkosten wieder hereinzubekommen bitten sie, diese sehr eindrucksstarke Autobiographie eines Holokaustüberlebenden zu bestellen:

Titelseite und Bestellung - bitte zum Auslegen

Das Vorwort des Buches enthält diese sehr aufschlussreiche Grafik. Es gibt wohl kaum einen Überlebenden, der 6 Jahre lang so viel mitgemacht hatte.

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Michael Kuhlmann stellt Ihnen das Buch hier vor. (Deutschlandfunk "Andruck"  8. Mai 2023)  Hier aufklappen zum Lesen.

Oder der Link zum Anhören und herunterladen:

https://www.deutschlandfunk.de/ben-lesser-ein-leben-das-zaehlt-vom-nazi-albtraum-zum-american-dream-dlf-36bf734d-100.html

Deutschlandfunk Andruck

8. Mai 2023

Die Zeitzeugen, die aus eigener Anschauung vom Zweiten Weltkrieg und vom deutschen Völkermord erzählen können, werden immer weniger. So ist etwa der Autor unseres nächsten Buches der einzige heute bekannte Überlebende eines besonders grausamen Gefangenentransportes, eines Güterzuges nämlich, der im Chaos der letzten Kriegswochen mit tausenden Gefangenen vom KZ Buchenwald nach Dachau unterwegs war. Die meisten starben auf dieser Fahrt. Ben Lesser, der aus einer jüdischen Familie aus Krakau stammt, war damals 17 Jahre alt und überlebte die Fahrt. Schon seine Kindheit war traumatisch geprägt durch die Besatzungsherrschaft der Nazis. Heute ist Lesser 94 Jahre alt und erzählt davon in seiner Autobiografie. Aber nicht nur vom Todeszug und von der Schreckenszeit im Konzentrationslager, sondern auch davon, wie er nach dem Krieg in den USA wieder neu ins Leben fand. Und davon, was er heute aus Überzeugung tut, nämlich  Schülerinnen und Schülern von seinen Erlebnissen zu erzählen.

 

Jetzt ist die Autobiographie auf Deutsch erschienen. "Ein leben, das zählt - vom Nazi-Alptraum zum American Dream" und Michael Kuhlmann stellt Ihnen das Buch jetzt vor.

Es habe ihm enorme Überwindung gekostet, als er frisch verrentet erstmals einer Schulklasse von seiner Zeit im KZ erzählen sollte. Er  musste die lange verdrängte die Schreckenszeit wieder ans Licht holen. Damit aber war das Eis gebrochen. Seither redet Ben Lesser, denn wir können und werden nicht zulassen, dass diese Geschichte verzerrt, geleugnet oder vergessen wird. Das ist ein heiliges Versprechen, das wir denjenigen gegeben haben, die wir verloren haben. Und bis zu unserem letzten Atemzug werden wir der Welt erzählen, was geschehen ist.

 

Das tut die erste Hälfte dieses Buches. Sie erzählt wie eine wohlhabende jüdische Familie aus Krakau im Herbst 1939 urplötzlich mit dem Terror der Besatzung konfrontiert wird. Morgens um 5 stürmen uniformierte Deutsche das großbürgerliche Mehrfamilienhaus, überfallen die Lessers und auch ihre jüdische Nachbarfamilie mit einem Kleinkind. Das Kind kann nicht begreifen was geschieht und es schreit vor Angst. Wir erblickten einen Nazi, der das Baby an den Beinen hielt, so dass es kopfüber baumelte und die Mutter anbrüllte es solle aufhören zu schreien. Natürlich schrien die Eltern  "mein baby, mein Baby!" Und plötzlich schwang dieser Barbar mit einem abscheulichen Grinsen im Gesicht das Baby mit voller Wucht mit dem Kopf voran gegen den Türpfosten, worauf sein winziger Schädel aufplatzte. Der Junge war sofort tot. Verständlicherweise stürzten sich die Eltern auf das Nazimonster, was zur Folge hatte, dass sie brutal getreten und mit der Pistole geschlagen wurden, bis beide bewusstlos waren.

Der junge Ben Lesser erlebte sechs Jahre lang die Schrecken der Verfolgung.

Zunächst konnte er von Polen nach Ungarn fliehen, dann aber wurde er doch gefasst und in einen Güterzug gesteckt.  Der rollte geradewegs nach Auschwitz. Dass sie dort ein Vernichtungslager erwartete, ahnte Ben Lesser  und viele andere noch nicht. Sie glaubten, ihnen stünde Zwangsarbeit bevor.

"Rückblickend scheint mir, dass wir, sobald wir die große Lüge einmal geglaubt hatten, alles andere so interpretierten, dass es dazu passte und wir hingen an dieser Lüge, als wäre sie das Leben selbst." Was Lesser erzählt von den Quälereien durch sadistische KZ-Wachen, von der Zwangsarbeit, vom Kampf ums Überleben, es deckt sich mit dem was Historiker über die Shoah  herausgefunden haben. Allerdings ist die Schilderung hier noch eindringlicher, bis hin zu den Erlebnissen bei der Befreiung 1945. Lesser und die anderen Überlebenden begriffen zunächst gar nicht, dass sie nun freie Menschen waren. Sie brauchten lange um auch nur zu erfassen, dass sie jetzt nicht mehr täglich gequält wurden.  Dann aber regte sich in dem 17-Jährigen der Überlebenswille. Er wollte nach Israel gehen, gelangte  dann in den Wirren der Nachkriegsjahre in die USA.

Davon erzählt, die zweite Hälfte des Buches. Die Überlebenden hatten es ungemein schwer in Amerika Fuß zu fassen. Ben Lesser und sein Freund, der Junge Rabbiner Jack sitzen schließlich arbeits- und mittellos in Los Angeles. Sie kommen aber dort in Kontakt mit einer jüdischen Gemeinde und dort in der Synagoge darf Jack sofort die Gebetslieder vorsingen. Es schien, als käme die Musik durch ihn aus einer anderen Welt und er riss die hypnotisierte Gemeinde mit sich. Im Hebräischen bedeutet das Wort Cavanah, dass es nicht ausreicht, die heiligen Gebete und Lieder nur zu lesen, zu hören oder auswendig zu lernen.  Viel mehr müssen wir völlig von der Bedeutung der heiligen Worte absorbiert werden. Denn sie bringen unsere Herzen Seelen und Geister in die Gegenwart Gottes. Die Schönheit und Kraft von Jacks Gesang erweckten das Wesen von CHavanna.  Als er seinen letzten Ton gesungen hatte, war der Altarraum von einer fassungslosen Stille erfüllt und dann wie auf ein Stichwort eilte die Menge herbei, umarmte ihn und hob ihn in die Höhe.  Hier in Los Angeles findet Ben Lesser endlich eine Heimat. Er gründet eine Familie, baut sich mit Zähigkeit und Glück eine Existenz auf.  Darin besteht seine Antwort auf den erlittenen Terror, sich von Schwierigkeiten nicht unterkriegen zu lassen, sondern kühl zu überlegen, was getan werden muss, um die Schwierigkeiten zu überwinden um dies nötige dann auch zu tun. Losgelassen hat ihn  das Grauen der Lager niemals. Tief in ihm blieb es präsent und das spürte er, als er 60 Jahre später wieder nach Auschwitz kam. Mein ganzer Körper zitterte vor Angst, und  mein Herz pochte so wild, dass ich mich wunderte, dass es niemand hörte. Mir wurde so schwindlig, dass ich dachte mein Kopf würde sich vom Hals schrauben. Ich schloss die Augen und versuchte verzweifelt meine Gedanken von der schrecklichen Vergangenheit zurück in die sichere Gegenwart zu lenken. Doch ohne Erfolg. Für Ben Lesser steht heute mehr denn je fest, dass man sich der Shoah aktiv erinnern muss. Dazu leistet diese kurze Autobiographie einen wertvollen Beitrag.

Lesser schreibt dabei ohne Hass oder Vergeltungsgedanken, geht sogar mit den Deutschen geradezu nachsichtig um, indem er seine Peiniger steht als die Nazis bezeichnet. Niemals als die Deutschen. Die Lektüre verdeutlicht denn auch eindringlich, wie der Terror von den Betroffenen selbst erlebt wurde. Auch, wenn es nicht das erste Buch dieser Art ist, es kann kaum genug davon geben. Zumal jedes Schicksal im Detail anders war. Da Ben Lesser aus der Sicht eines Jugendlichen von der Shoah erzählt, dürfte es sich auch gut als Schullektüre eignen. Die Lehre, die Lesser aus dem Grauen gezogen hat, gilt universell. Eine Person kann sich dazu entscheiden nicht zu hassen, keine hasserfüllte Sprache zu verwenden. Man kann sich auch dazu entscheiden nicht zum Täter oder Zuschauer zu werden. Ein Unterdrücker wird nicht ohne die Unterstützung anderer erfolgreich sein,“ schreibt Ben Lesser  in seiner Autobiografie „Ein Leben, das zählt  - vom Nazi Albtraum zum American Dream“ .  Herausgegeben wurde sie vom Deutschen Gewerkschaftsbund Niederbayern in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft KZ Transport 1945 der Gemeinde Fürstenstein.  Nikolaus Saller hat sie aus dem Englischen übersetzt und Wallstein verlegt, 235 Seiten gibt es für 20 €.

 

Unser Rezensent Michael Kuhlmann.

 

Hier der Link zum Anhören und herunterladen:

https://www.deutschlandfunk.de/ben-lesser-ein-leben-das-zaehlt-vom-nazi-albtraum-zum-american-dream-dlf-36bf734d-100.html

 

F)  Schlusswort und Dank 

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Die Schlussworte zu sprechen blieb Bürgermeister Stephan Gawlik vorbehalten. Diese Feier am Friedhof und hier im Kerbersaal habe ihn persönlich tief berührt. Er dankte allen Helfern für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Gedenkfeier, insbesondere Silvia Zöls von der Verwaltung sowie Andreas Schmal vom DGB Niederbayern und natürlich ganz besonders dem Organisator dieser Gedenkfeier Nikolaus Saller, „vor dem ich bildlich gesprochen den Hut ziehe vor dieser seiner Lebensleistung".

Und er kündete für Nikolaus Saller den einstimmigen Beschluss des Fürstensteiner Gemeinderates an, er werde ihm die zweithöchste Auszeichnung der Gemeinde Fürstenstein, die Bürgermedaille verleihen, die er sich mehr als verdient habe. Mit lang anhaltendem, stehendem Beifall honorierten die Teilnehmer der Veranstaltung diese Ankündigung des Bürgermeisters und drückten damit ihre große Wertschätzung gegenüber Nikolaus Saller und seiner Lebensleistung aus.        enj

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Kurzbeschreibung des Inhalts - Überblick

Das KZ Buchenwald damals Buchenwald liegt am Rande der Stadt Weimar in Thüringen. Am Ende des Krieges ist Buchenwald das größte KZ mit 48.000 Menschen.
Beginn dieses KZ-Transports Am 7. April 1945 musste das illegale Lagerkomitee unter dem Druck schwerbewaffneter SS-Leute 4500 Gefangene bereitstellen.
Die Strecke von Nammering Der Zug mit 5.009 Häftlingen sollte zum KZ-Flossenbürg geleitet werden, musste aber nach Osten über Dresden und Pilsen ausweichen. Bis Nammering war er schon 10 Tage unterwegs.
Buchenwald heute besuchen Auf dem riesigen Gelände steht nur noch 1 Baracke und die großen Funktionsgebäude des Lagers. Jedes Jahr finden Gedenkfeiern statt. Eine neue Ausstellung lohnt einen Besuch.
5 Tage Halt in Nammering In Nammering gibt es Abstellgleise vom Steinbruch. Da musste der Zug vom 19. bis 24. April 1945 warten.
H. Klössinger, Bahnbeamter Als unmittelbarer Zeitzeuge sagte der Bahnbeamte Heinrich Klössinger aus: “Dauerndes Schießen war bei Tag zu hören und Hilferufe, Geschrei und Jammer hallte durch die dunkle Nacht.”
Pfarrer Bergmann von Aicha half Er rief in der  Kirche zu Lebensmittelspenden  für die KZ- Häftlinge in Nammering auf, obwohl es ihm die Parteileitung streng verboten hatte. Er hatte damit sein Leben riskiert!
Andere Zeugen sagten aus

Es gibt noch einige schriftliche Zeugenaussagen, die großen- teils von den amerikanischen Stellen beurkundet wurden.


Es waren viele hundert Leichen da und wurden im Massengrab beerdigt. Die Amerikaner befahlen, die bereits in Verwesung übergegangenen Toten auszugraben.

“Totenwiese” Massengrab Die ganze Bevölkerung aus Nammering und Umgebung musste zur "Totenwiese" und dort in einer Art Prozession durch die Reihen der Toten gehen.
5 Begräbnisstätten in Dorfmitte Jeder Ermordete musste einen Holzsarg bekommen, an 5 Orten mussten Männer und Frauen die Gräber ausheben und die ganze Bevölkerung musste bei der Beerdigung dabei sein.
Friedhöfe heute Alle 5 Friedhöfe wurden 1950 feierlich eingeweiht, später 3 Friedhöfe aufgelöst. Heute besteht noch in Eging ein Ehrenfriedhof mit 171 Toten; in Fürstenstein noch ein Grabstein für 39 Opfer.
Totenwiese heute Ein neues Birkenkreuz wurde errichtet. Es soll den historischen Platz kennzeichnen und auch an das Kreuz von Ludwig Gartner erinnern. Wegweiser ist vorhanden.
Weiterfahrt bis Dachau Nach dem fünftägigen Aufenthalt in Nammering bewegte sich der Transport  über Kalteneck - Passau  weiter in Richtung  Pocking, München nach Dachau. Nochmal 3 lange Tage.
Todeszug kommt nach Dachau Am 27. April mittags und 28. April um 1 Uhr nachts kommt der Todes- zug in zwei Teilen in Dachau an. Ein Zug von Sterbenden und Toten. Es wurden 2.310 Tote und 816 Überlebende gezählt.
Merbach vor Gericht Merbach wurde im Buchenwald-Hauptprozess in Dachau insbesondere wegen seiner  Verantwortung für die Todesfälle während des Evakuierungstransportes 1947 zum Tode durch den Strang verurteilt und am 14. Januar 1949 in Landsberg hingerichtet
1984 Mahnmal errichtet 40 Jahre lang gab es keinen Gedenkstein, kein Schild. 1984 wird zwischen der ”Totenwiese”€ und dem Bahngelände von der Gruppe Friedensforum das Mahnmal errichtet.
Jakob Petri am 28.04. ermordet Noch in der  Nacht bevor die Amerikaner eintrafen wurde Jakob Petri, der Paus-Müller, - von der ”Braunen Schwester”€ denunziert - von SS- Leuten im  Aichaer Pfarrhölzl durch einen Genickschuss ermordet.
2015 Gleis der Erinnerung Zur Gedenkfeier im Jahr 2015 wurde das Gleis der Erinnerung aufgebaut, denn das Mahnmal liegt ziemlich weit hinten und versteckt im Wald.
1984 Buch erschienen Das Buch “Nie werde ich vergessen” haben Hans Hübl und Nikolaus Saller als Arbeitsgemeinschaft KZ-Transport 1945 mit finanzieller Unterstützung durch die Gemeinde Fürstenstein herausgegeben.
Häftlingsberichte Nur wenige Überlebende haben bisher berichtet. So sind bei Erscheinen des Buches von 1994 auch nur die folgenden 3 Häftlingsberichte aufgenommen.
Robert Darsonville, Franzose Robert Darsonville hat seine Aufzeichnungen während des Transportes  auf einigen Fetzen Papier im April 1945 machen und sie retten können. Es sind nur Tatsachen der lebendigen  Erinnerung, die bei den Kameraden wieder die Schmerzen, die Verzweiflung aber auch die Hoffnung dieser Hölle zu entkommen lebendig werden  lassen.
Lazarro Levi, Italiener Lazarro Levi war ein italienischer Jude aus Trieste.  Diesen Bericht hat er am 29. Juni 1945 geschrieben aufgrund mündlicher Aussagen von 8 anderen Mithäftlingen. (Es ist ein sehr erschütternder Bericht!)
Gleb Rahr, Russland Der ehemalige KZ-Häftling russischer Abstammung, Gleb Rahr,  schrieb für die vorliegende Dokumentation  seine Erinnerungen an den Transport auf. Er war in 5 Konzentrationslagern.
Gedenkfeiern ab 1985 Das Friedensforum hat zu dieser ersten größeren Gedenkfeier beim neu errichteten Mahnmal  öffentlich eingeladen. Am 40. Jahrestag, dem 21. April 1985, wurde das Mahnmal eingeweiht.
Mahnmalbesuche Zum neu errichteten  Mahnmal kamen viele andere Besucher. Ab 1985 gab es  jedes Jahr Gedenkstunden. Ab 1995 hat die Gemeinde Fürstenstein zu den großen Gedenkfeiern eingeladen.
Wladimir Uwarow, Überlebender v. Moskau Der 75 jährige Wladimir Uwarow aus Moskau hat 1945 den Transport von Buchenwald nach Dachau überlebt und wollte von sich aus seinen Leidensweg nochmal gehen.
1995 Gedenkfeier 50 Jahre Diesmal hatten auch die Gemeinde Fürstenstein und der PGR Nammering zu einem gemeinsamen Gedenken eingeladen. Wladimir Uwarow legte eine Handvoll Heimaterde nieder.
1999 Buch von Bertrand Francois Bertrand aus Paris hat für “Der Todeszug nach Dachau” eingehend in zahlreichen franz., deutschen und amerikanischen Dokumenten geforscht. Seine Zahlen sind hier übernommen worden
2001 Pilgerfahrt von franz. Überlebenden Eine Gruppe von 7 ehemaligen franz. Häftlingen machte im Juni 2001 unter der Leitung von Francois Bertrand in einem Bus eine Pilgerfahrt nach Aicha aus Dankbarkeit gegenüber Pfarrer Bergmann.
2005 Gedenkfeier 60 Jahre Zu dieser großen Gedenkfeier kamen über 200 Besucher. Es war auch der Ehrengast Dr. Fajer da und sprach zu uns. Die Reden am Bahngelände kann man hier lesen.
Dr. Jersey Fajer Der besondere Ehrengast Dr. Jersey Fajer bereicherte die Gedenkfeier 2005. Er stammt aus Polen und kam ins KZ  Buchenwald. Seit vielen Jahren ist er deutscher Staatsbürger und war Arzt.
2015 Gedenkfeier 70 Jahre Es planten 3 gemeinsam: Gemeinde, AG KZ-Transport und IG Metall Passau. Diese errichtete einen neuen Gedenkstein und die AG KZ-Transport baute das neue Gleis der Erinnerung auf. Der Überlebende Pavel Kohn aus Prag sprach über seine Leidenszeit in den KZ.